Wechselbalg II

Sagengeschichten vom Wechselbalg 

 

September 2008

 

Drei Sagengeschichten von einem Wechselbalg

 

82. Der Wechselbalg zu Heßloch. 1 Gebrüder Grimm

83. Die Wechselbälge im Wasser 1 Gebrüder Grimm

Der Wechselbalg vom Böhmerwald. 2 H. Watzlik

 


 

 

82. Der Wechselbalg zu Heßloch

Zu Heßloch, bei Odernheim im Gau gelegen, hat sich's zugetragen, daß der Kellner eines geistlichen Herrn mit der Köchin wie seiner Ehefrau gelebt, nur daß er sich nicht durfte öffentlich einsegnen lassen. Sie zeugten ein Kind miteinander, aber das wollte nicht wachsen und zunehmen, sondern es schrie Tag und Nacht und verlangte immer zu essen. Endlich hat sich die Frau beraten und wollte es gen Neuhausen auf die Cyriakswiese tragen und wiegen lassen und aus dem Cyriaksbrunnen ihm zu trinken geben, so möchte es besser mit ihm werden. Denn es war damals Glauben, ein Kind müsse dann nach neun Tagen sich zum Leben oder Tod verändern (1). Wie nun die Frau bei Westhofen in den Klauer kommt mit dem Kinde auf dem Rücken, welches ihr so schwer geworden, daß sie keucht und der Schweiß ihr übers Angesicht läuft, begegnet ihr ein fahrender Schüler, der redet sie an: »Ei Frau, was tragt Ihr da für ein wüstes Geschöpf, es wäre kein Wunder, wenn es Euch den Hals eindrückte.« Sie antwortete, es wäre ihr liebes Kind, das wollte nicht gedeihen und zunehmen, daher es zu Neuhausen sollte gewogen werden. Er aber sprach: »Das ist nicht Euer Kind, es ist der Teufel (2), werft ihn in den Bach!« Als sie aber nicht wollte, sondern beharrte, es wäre ihr Kind, und es küßte, sprach er weiter: »Euer Kind stehet daheim in der Stubenkammer hinter der Arke in einer neuen Wiege, werfet diesen Unhold in den Bach!« da hat sie es mit Weinen und Jammern getan. Alsobald ist ein Geheul und Gemurmel unter der Brücke, auf der sie stand, gehört worden, gleichwie von Wölfen und Bären. Und als die Mutter heimgekommen, hat sie ihr Kindlein frisch und gesund und lachend in einer neuen Wiege gefunden.


(1 )Ein Wechselbalg wird gewöhnlich nicht älter als sieben Jahre; nach andern jedoch sollen sie achtzehn bis neunzehn Jahre leben.
 

(2) Denn der Teufel nimmt die rechten Kinder aus der Wiege, führt sie fort und legt seine dafür hinein. Daher der Name Wechselbalg.

 

Gefunden unter: Projekt Gutenberg

http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=970&kapitel=84&cHash=e2cce49e352#gb_found

 

 


 

 

83. Die Wechselbälge im Wasser

Bei Halberstadt hatte ein Bauer einen Kielkropf, der seine Mutter und fünf Muhmen ausgesogen, dabei unmäßig gegessen hatte (denn sie essen mehr als zehn andere Kinder) und sich so angestellt, daß sie seiner gar müd geworden. Es ward ihm der Rat gegeben, er solle das Kind zur Wallfahrt gen Heckelstadt zur Jungfrau Maria geloben und daselbst wiegen lassen. Diesem Rat folgte der gute Bauer, setzte es in einen Rückkorb und trug es hin. Wie er aber über ein Wasser geht und auf der Brücke ist, ruft's unten im Wasser: »Kielkropf! Kielkropf!« da antwortete das Kind in dem Korbe, das niemals zuvor ein Wort geredet hatte: »Ho! Ho!« Dessen war der Bauer ungewohnt und sehr erschrocken. Darauf fragte der Teufel im Wasser ferner: »Wo willt du hin?« Der Kielkropf oben antwortete: »Ick well gen Heckelstadt to unser Leven Fruggen:

mik laten wigen
dat ick möge gedigen (gedeihen).«

Wie der Bauer hörte, daß der Wechselbalg ordentlich reden konnte, ward er zornig und warf ihn samt dem Korb ins Wasser. Da sind die zwei Teufel zusammengefahren, haben geschrien: »Ho! Ho! Ha!« miteinander gespielt und sich überworfen und sind darnach verschwunden.

 

 


 

 

Der Wechselbalg vom Böhmerwald

Eine Mutter hatte einmal ein liebes zartes Kind. Da war ihr eine Zwergin drum neidig, und sie stahl ihr heimlich das schöne Kind und legte ihr dafür ihr eigenes in die Wiege, und das war überaus grauslich, es hatte einen großen Schädel und Froschaugen und einen dicken Kropf und fraß, daß es kaum zu erfüttern war. Als die Mutter den Wechselbalg fand, weinte sie, daß es hätte einen harten Stein erbarmen können, aber die Zwergin gab ihr das liebe Kind nicht zurück. Alles Bitten und Betteln half nichts, der abscheuliche Fratz lag in der Wiege und plärrte boshaft. Da kochte die Mutter ein Gebräu und goß hernach das Bier in ein leeres Hühnerei und brachte es dem Schreihals. Gleich wurde er still und konnte auf einmal reden und sagte:

"Ich bin so alt wie der Böhmerwald und hab in mein Leben solchen Brauch nit gesehen."

Da hatte sich der Wechselbalg verraten und verschwand. Die Zwergin aber mußte das liebe Kind wieder zurückbringen.

 

Quelle: Hans Watzlik, Böhmerwald-Sagen, Budweis 1921 (Böhmerwalder Dorfbücher, 5. Heft)

 

Gefunden unter:

http://www.sagen.at/texte/sagen/tschechien/watzlik/wechselbalg.html

 

 


 

Das Thema "Kuckuckskinder" ist von mir an verschiedenen Beispielen und aus verschiedenen Gesichtspunkten beleuchtet worden.

Siehe dazu:

(Themenreihe: Kuckuckskinder)

 

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Autor: B. Freytag

www.fallwelt.de/ET/wechselbalgsagen.htm