Die älteste Bibel

Der Codex Sinaiticus

 

Oktober 2006

 

Die älteste Bibel

Die älteste Bibel gibt es wirklich. Hier reden wir also nicht über ungelegte Eier. Dabei handelt es sich um den Codex Sinaiticus. Es ist eine Handschrift aus dem 4. Jahrhundert. Diese Schriftensammlung wurde weniger als 300 Jahre nach den Originalen erstellt. Damit sind wir noch nicht ganz am ursprünglichen Geschehen angelangt, doch hält sich die verstrichene Zeit zumindest in gewissen Grenzen.

 

Ein vollständiges NT

Wir haben hier eine authentische Quelle vor uns, die zwar auch nur eine Auswahl der Urschriften enthält, uns aber zurück in eine Zeit führt,  in der die Streitereien, um das, was als kanonisch zu gelten hatte und was nicht, noch nicht ganz abgeschlossen waren. Besonders im Hinblick auf das NT ist diese Schriftensammlung bemerkenswert, denn diese scheinen vollständig erhalten zu sein. D.h., es sind alle uns heute bekannten Schriften des NT dort enthalten. Da Bibel (biblia) Bücher heißt, haben wir hier die älteste uns noch erhaltene biblia (Bibelbücher).

 

Fund im Katharinenkloster

1859 wurde sie im Katharinenkloster (Ägypten) gefunden und dann dem russischen Zaren Alexander II übergeben. 1933 verkaufte Russland diesen Codex an England. Dort befindet sich dieses kostbare Stück immer noch und ist in der British Library ausgestellt.

 

Zusätzliche Schriften

Ich betonte, dass sich in dem Codex Sinaiticus alle uns heute geläufigen Schriften des NT befinden. Das ist bestimmt sehr bemerkenswert, denn danach hätte sich am Umfang der Bibel (NT) bis heute nicht geändert. Mit einer kleinen Ausnahme: In dem Codex Sinaiticus sind noch zwei Handschriften enthalten, die in unserem NT fehlen. Dabei handelt es sich um den Brief des Barnabas und den Hirt des Hermas.

 

Zensur

Wenn also in der ursprünglichsten aller Bibel zwei Schriften enthalten sind, von denen sich die Kirche in späteren Tagen distanziert hat, können wir sicherlich annehmen, dass diese beiden Schriften nicht entfernt wurden, weil sie keinen Wert hätten, sondern weil sie im Widerspruch zu der sich etablierten kirchlichen Lehrmeinung standen. Oder aber sie passte nicht in das Muster der übrigen Schriften (Briefe).

 

Was ist authentisch?

Viele Bibelfundamentalisten folgen gewissenhaft allen alten Vorschriften und bemühen sich so nahe wie möglich an die Quelle zu gelangen, denn so sind sie dem Original (Gott) am nächsten. Sie sollten die ersten sein, die sich diesen alten Handschriften mit ihren Herzen öffnen. Aber das tun sie offensichtlich nicht oder nur sehr halbherzig. Sie beschimpfen zwar alle die katholische Kirche, aber letztendlich akzeptieren sie die Schriftensammlung, welche die katholische Kirche in ihren frühen Tagen einmal für authentisch erklärte.

 

Überschaubares NT

Natürlich gibt es keinen Sinn, jede Schrift, die einst von einem Apostel verfasst worden sein soll, zum Bestandteil der Bibel zu machen. Das schriftliche Material würde ausufern und mehr verwirren, als einem roten Faden folgend, dem Leser (dem Erforscher) helfen, in die tiefen Wahrheiten Gottes einzudringen. – Aber, und da liegen die Fakten auf dem Tisch, das NT (für Christen ja besonders wichtig) ist vom Umfang her sehr überschaubar. Wohingegen das AT (welches für Christen eher unwichtig ist) vom Umfang her das NT bei weitem übersteigt. Das AT und das NT stehen im Umfang etwa im Verhältnis von 3:1.

 

Nicht immer die Hand Gottes

Bei diesem offensichtlichen Missverhältnis gibt es wenig Sinn Schriften aus dem NT zu entfernen, um dadurch den Umfang zu begrenzen. Und man soll bitte schön auch nicht immer gleich den lieben Gott, seine lenkende Hand, mit ins Spiel bringen.

 

Korrekturen

Müssen alte Handschriften korrigiert werden? Selbst dieses alte Dokument, der Codex Sinaiticus, enthält mehrere Textpassagen an denen Veränderungen vorgenommen wurden. D.h. es gibt dort Zusätze und Abänderungen am ursprünglichen Text. Was dort im einzelnen geändert wurde, vermag ich nicht zu sagen, doch Untersuchungen mit bestimmten Lichtquellen lassen eindeutig nachträgliche Veränderungen erkennen. D.h., schon diese damalige Schrift musste in der kurzen Zeit, in der sie in Benutzung war, Veränderungen an sich erfahren.

 

Änderungen bei allen Schriften

Wir müssen einfach akzeptieren, dass die Wahrer heiliger Geheimnisse mehr daran interessiert waren, dass die verwahrten Schriften ihren Vorstellungen entsprachen, als dass sie in ihrem ursprünglichem Wortlaut belassen wurden. Und wenn diese Praxis damals üblich war, ist es wohl sicher, dass solches auch schon früher Gewohnheit war. Das heißt wiederum, dass wir nachträgliche Änderungen bei allen Schriften der Bibel zu allen Zeiten annehmen dürfen. Deshalb ist eine gewisse Vorsicht angeraten, nicht jedes Wort der Bibel gleich als das Wort Gottes zu betrachten und bitte nicht immer jedes Wort aus der Bibel und jede dort gemachte Aussage zu wörtlich nehmen.

 

Zum Glück sind uns jene, aus dem Codex Sinaiticus entfernten Schriften, noch erhalten. Sicherlich gibt es für Christen Sinn, diese Schriften in ihr Bibellesen mit einzubeziehen. Sie sind leicht im Internet zu beschaffen. Z.B. unter:

 

http://www.glaubensstimme.de/kirchenvaeter/barnabas/12.htm

 

http://www.glaubensstimme.de/kirchenvaeter/hermas/168.htm

 

Ich habe entsprechende Schriften gesichtet und für mich zur besseren Übersicht an einigen Stellen farblich unterlegt. Die ursprünglichen Formatierungen sind, an die von mir verwendeten angepaßt.

       Barnabasbrief

       Hirte des Hermas

 

Zitate anderer Quellen

Auch Zitate nichtkanonischer Schriften weist der Barnabasbrief auf. Nicht jedes Zitat macht ein Dokument sogleich zu einer heiligen Schrift. Doch hier werden offenbar Schriften zitiert, die damals allgemein verbreitet waren und auch als inspiriert galten. Auch diesem Umstand sollte man Beachtung schenken.

 

            Barnabasbrief 4. Inhalt

([Enzyklopädie: Barnabasbrief. DB Sonderband: Wikipedia 2005/2006, S. 66244] )

Inhaltlich setzt sich die Abhandlung mit dem Konflikt zwischen altem Bund (Judentum) und neuem Bund (Christentum) auseinander. Der Autor bemüht sich, die jüdische Lehre als überholt und von der christlichen abgelöst darzustellen. Dies ist eventuell eine Reaktion auf ein Wiedererstarken der jüdischen Gemeinden nach der Zerstörung des Tempels. Insofern gibt der Brief Einblick in die theologischen Auseinandersetzungen in der frühen Kirche.

 

Im Barnabasbrief findet sich erstmals eine theologische Begründung, warum die Christen den Sonntag und nicht den Sabbat als Feiertag halten: Der achte Tag, ist der erste Tag der Neuen Schöpfung, die Ostern an einem Sonntag begonnen hat.

 

Der Barnabasbrief weist eine Reihe theologischer und sprachlicher Parallelen zum Hebräerbrief auf, so dass über eine gemeinsame Autorschaft spekuliert worden ist.

 

Interessant ist weiter, dass alttestamentalische Apokryphen als kanonische Schriften angesehen werden: In Kap. 4, Vers 3 und Kap. 16, Vers 5 wird aus dem Buch Henoch zitiert, und Kap. 12, Vers 1 zitiert aus dem 4. Buch Esdras.

 

                   Henochbuch

                   4.Buch Esra

       Hirte des Hermas

[Enzyklopädie: Hirte von Hermas. DB Sonderband: Wikipedia 2005/2006, S. 364440]

Hermas war Bruder des Bischofs Pius I. von Rom. Etwa um 140 schrieb er die Schrift Hirte des Hermas, die bis weit in das 4. Jahrhundert hinein in den Gottesdiensten vorgelesen wurde.

 

Eine besondere Rolle spielt diese Schrift, die hauptsächlich Gleichnisse und Visionen enthält, für die Entwicklung der Lehren von der sakramentalen Buße, d.h. der Buße als Sakrament.

 

Der Canon Muratori - eine Zusammenfassung der christlichen Bücher von ca. 150 - schreibt über den Hirten des Hermas:

 

Den Hirten aber hat ganz vor kurzem zu unserer Zeit Hermas aus Rom geschrieben, als auf dem Stuhl der Gemeinde Roms sein Bruder Pius saß. Und darum soll er wohl gelesen werden. Aber in der Gemeinde kann er bis zum Ende der Tage dem Volk weder unter den Propheten, deren Zahl abgeschlossen ist, noch unter den Aposteln vorgelesen werden.

 

 

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Autor: B. Freytag

www.fallwelt.de/bibel/bibel/sinaiticus.htm